"Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen."

Immanuel Kant

Dienstag, 13. Juli 2010

Gedanken eines Betroffenen: Sechster Eintrag






Ein Unternehmen hat jeden von uns schon viele Nerven gekostet - da bin ich mir ziemlich sicher. Es gibt kaum eine Institution die es einem dermaßen einfach macht, eine gesunde Portion Wut zu empfinden. Die Rede ist natürlich vom Internetanbieter. AOL, Arcor und andere (ist ihnen die Alliteration aufgefallen?) mögen sicherlich diese Aufgabe auch hervorragend erfüllen, doch möchte ich mich heute auf die liebe Telekom beziehen - nicht zuletzt da auch ein guter Freund so nett war, seine Erfahrungen mit mir zu teilen. Und siehe da: Es fanden sich Übereinstimmungen! Als Egozentriker beginne ich natürlich mit den eigenen Erfahrungen und werde dann den Bericht des werten Freundes als Zusatz anhängen.


Samstag, halb zehn (nachts natürlich) in Deutschland. Der verzweifelte Blick auf die kleine Anzeige rechts unten bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen: Kein Internet! Die Balken sind zwar weiß, was beweist, ich bin hervorragend mit dem Router verbunden, doch es nutzt mir nichts, denn dieses hämische Ausrufezeichen verrät: Keine Internetverbindung. Ein kurzer Fluch über die Unfähigkeit des Anbieters, wenigstens eine Woche am Stück eine konstante Verbindung zu bieten, schleicht sich über meine Lippen. Also gut, du warst schon öfter in dieser Lage. Einfach die Balken im Blick behalten, es geht schon wieder weg... Ein Blick auf den geöffneten Browser weckt Wehmut: Das Youtubevideo, dass ich mir angesehen hatte, war nur zur Hälfte fertig geladen. Mist!

Gut, mach ich eben etwas Vernünftiges... Ach wem mache ich etwas vor? Etwas Vernünftiges ohne Internet? Lächerlich. Gut. Ich muss es wohl wagen. Mit der gleichen schweißtreibenden Konzentration, mit der ein Drachentöter die Höhle des Ungeheuers betreten würde, greife ich zum Telefon. Der gefürchtete T-Online Kundendienst ist der Gegner, dem ich nun gegenüber treten muss. Natürlich habe ich die Nummer bereits fest eingespeichert. Ist ja nicht das erste Mal. Nochmal würde ich nicht bei einem Freund anrufen müssen, damit er mir die Nummer über sein funktionierendes Netz heraussucht - Moderne Technik, du Segen und Fluch unserer Welt. Mit zitternden Fingern wähle ich die Tasten und der Schweiß tritt mir auf die Stirn, als es klingelt. Doch der monotone Rufton erklingt nicht lange, denn schon wird der Anruf angenommen.

"Willkommen beim Kundendienst von T-Online!" Oh nein. Der Roboter. Level 1 des nervenaufreibenden Spiels. "Wenn Sie ein Problem mit der Technik haben, sagen Sie bitte jetzt: Ja."
"Ja..."
"Wenn Sie ein Problem mit der Rechnung haben, sagen Sie bitte jetzt: Ja."
"Nein?"
"Sie werden mit einem unserer Mitarbeiter verbunden."
Ich lege auf. Wurde ich gerade von einem Roboter verarscht? Ich wähle erneut.
"Willkommen beim Kundendienst von T-Online!" Oh Gott, ich möchte doch nur einen Menschen sprechen! "Wenn Sie ein Problem mit der Technik haben, sagen Sie bitte jetzt: Ja."
"Um Himmels Willen JA!!"
"Ich habe Sie leider nicht verstanden."
"Ist das dein Ernst?!"
"Sie werden nun mit einem Kundenberater verbunden."

Wirklich? Das war ja einfach... Doch in mir regt sich Misstrauen. Ich kenne diese Hotlines, es ist niemals SO einfach. Und ich behalte recht. Einer kurzen Ansage zum Thema Mitschneiden des Gesprächs zur Qualitätskontrolle (ich hätte gelacht, wenn es nicht so traurig wäre), folgt eine Musikschleife... Diese Folter soll vermutlich das Gehirn des Anrufenden bis zur Annahme durch einen Mitarbeiter bereits so weit zu Matsch verarbeiten, dass dieser nicht mehr weiß, weshalb er überhaupt anrief. Arbeitsersparnis. Doch dann tatsächlich, das Wunder:

"Guten Tag beim Kundenservice der Telekom. Mein Name ist Martin Mustermann, wie kann ich Ihnen helfen?"
Ich bin ein wenig überrascht ein menschliches Wesen zu sprechen. Also sage ich nur sehr vorsichtig: "Guten Tag?"
"Ja?"
Tatsächlich. Ein Mensch. In einem Anflug der Euphorie schildere ich das Problem:
"Ja, guten Tag. Also ich habe hier eine Störung vorliegen und wollte fragen..."
"Da sind Sie hier leider falsch", unterbricht mich der nette Mitarbeiter.
"Wie bitte?"
"Dafür ist der technische Kundendienst verantwortlich, Sie sind hier bei den Rechnungen."
"Ahja. Können Sie mich dann weiterverbinden?"
"Nein, das geht leider nicht."
"Ach?"
"Aber ich gebe Ihnen gerne die Nummer. Haben Sie etwas zu Schreiben?"
"Ja..."
Eine weitere 0800 Nummer findet den Weg in meine Speicherliste. Gut. Einmal tief Luft holen. Ding! Ding! Ding! Runde Nummer drei.
"Willkommen beim technischen Kundendiest der Telekom!" Oh nein. Nicht du schon wieder! Verflucht seist du, du künstliche Dummheit!
"Um sicher zu stellen, dass sie den passenden Berater erhalten, drücken Sie bitte 1, wenn sie Fragen zu ihrem Handy haben. Drücken Sie 2, wenn sie ein Problem mit ihrer Internetverbindung haben..." Jaja, und drücken Sie 3, wenn sie doof sind, schon klar. Ich drücke die 2 und würge den ätzenden Roboter ab. Musikschleife. Du meine Güte. Ich überlege leise weinend, wieviele Gehirnzellen ich wohl diesmal verlieren werde, bis sich mir einer erbarmt. Sechs Minuten gehen ins Land, dann das Wunder. Freudestrahlend höre ich das ersehnte "Klack" und das verstummen der Musik. Doch wieder überrascht mich das kompetente Team von T-Offline mit einem neuen Geniestreich. Kurz nachdem abgehoben wurde, höre ich ein entferntes Lachen und das Telefon wird wieder aufgelegt. Natürlich weiß ich, wen sie da ausgelacht haben. Und es trägt nicht zu einer Verbesserung meiner Stimmung bei. "Ihr verdammten Drecksäcke!!" Mein Fluch erschüttert die gesamte Straße. Gut. Noch einmal das Prozedere.

"Willkommen..." 2 "beim..." 2 "technischen..." 2 "Kundendiest..." 2 "der Telekom!" 2! "Um sicher zu..." 2 "stellen, dass sie den passenden Berater..." 2 "erhalten, drücken Sie bitte..." 2.
Musikschleife. Ein Schritt weiter. Wunderbar. Vier Minuten gehen ins Land. Klack! Lachen.
"He!!! WENN IHR VERDAMMTEN SÄCKE NOCHMAL AUFLEGT DANN RAPPELTS ABER IM..." Aufgelegt. Wut. Niemals zuvor spürte ich so eine Wut. Niemals. Zuvor. Auch meine zweimalige Zustimmung zum Mitschnitt des Gesprächs verschafft mir keine Genugtuung. Als ob diese Trottel deswegen entlassen würden. Gut. Letzter Versuch.

"Willkommen..." 2, 2, 2 "beim..." 2, 2, 2 "technischen..." 2, 2, 2 "Kundendiest..." 2, 2, 2 "der Telekom!" 2! 2! 2! "Um sicher zu..." 2!! "stellen, dass sie den passenden Berater..." 2!!! "erhalten, drücken Sie bitte..." 2!!! Die Taste meines Telefons knackt bedrohlich. Lange hält sie die Belastung wohl nicht mehr aus. Ich auch nicht. Wieder die Musikschleife. Klack. Lachen. Tut tut tut tut...

Ich schlage mit dem Kopf mehrmals auf den Tisch. Da sehe ich es im Augenwinkel. Das Ausrufezeichen auf dem Bildschirm ist verschwunden. Ich... habe... Internet! Also ist alles wieder in bester Ordnung, nicht wahr? Nein. Leider nicht. Eine halbe Stunde später war ich auf dem Weg zur psychischen Betreuung. Das Ausrufezeichen war wieder aufgetaucht und ich hatte versucht mein Telefon zu verspeisen.

Wie bereits angekündigt hat auch ein guter Freund, nennen wir ihn Geek Johnny, das gleiche Problem. Hier die Gastgeschichte des Tages.
Natürlich brauchte auch er einen sehr guten Grund, um sich mit der Telekom zu befassen: Ihm ging es um das neue Iphone, das am 24.6 dieses Jahres erschien (Sie sehen schon, weshalb "Geek", oder?). Die Vorgeschichte: Im März dieses Jahres erhielt er einen kurzen Anruf, in der es um die Verlängerung des Vertrages, den er mit seinem "alten" Iphone (Geek eben) hatte, ging. Er stimmte zu, unter der Bedingung, dass er pünktlich Steve Jobs neuste Kreation in Empfang nehmen könne. Das bescheinigte man ihm so. Sie sehen sicherlich bereits den Fehler? Richtig, er GLAUBTE einem Telekommitarbeiter, der IHN anrief. Natürlich ist etwas faul, wenn sie DICH anrufen, sie müssen dich schließlich auf andere Weise quälen, wenn Telefonbot und Dudelmusik wegfallen...

Am 15.6 begab er sich dann endlich in den T-Punkt seines Vertrauens. Naja, er begab sich in den T-Punkt in der Nähe. Er wurde vom freundlich schwitzenden Angestellten empfangen und nach einer kurzen, langen Wartezeit in einer Schlange, die mehr Volumen als der Laden selbst hatte, durfte er seine Daten durchgeben. Eine halbe Stunde lang wurden Informationen gesammelt, die eigentlich niemanden interessieren konnten, der nur ein Telefon verkaufen will. Gut, ein Iphone ist ja bekanntermaßen auch nicht "nur" ein Telefon. Trotzdem. Nachdem also eine halbe Stunden persönliche Daten durchgekaspert wurden, kam der freundliche Angestellte zu dem Schluss, dass Johnny gar nicht dazu berechtigt war, ein neues Iphone zu kaufen! Denn der Vertrag, dem er so leichtsinnig zugestimmt hatte, beinhaltete auch eine Wechselsperre. Geek Johnny versucht nun dem Mitarbeiter freundlich zu erklären, dass seine Kollegin, die ihn zuvor telefonisch belästigte, versprochen hatte, er würde ohne Schwierigkeiten wechseln können.
"Da hat sie sich eben geirrt."

Und damit entlässt man unseren Freund in seinen Arbeitstag, den er durch dieses Verkaufsgespräch fast verpasst hätte. Aber wir haben es hier mit einem ECHTEN Geek zu tun, einem Vertreter der Gattung "Geekidae" sozusagen. Also ruft er am nächsten Tag auf eigene Faust beim Kundendienst an. Mächtig großer Fehler. Nach gefühlten drei Tagen Telefongedudel und Hirnzermatschung, folgt die Meldung: Es ist kein freier Mitarbeiter verfügbar. Was war passiert? Die Telekom zeigte sich an dieser Stelle scheinbar für eine logistische Meisterleistung verantwortlich: All jene Menschen, die ein neues Iphone erwarben, mussten dieses vor der Benutzung über eben diese eine Hotline freischalten. Sprich: Alle Bürger Deutschlands, die ein Iphone erworben hatten, versuchten in diesem Moment zusammen mit Johnny dort anzurufen. Bevor er das aber erfahren würde, dauerte es noch ein wenig. Zuvor blieb nur die Frustration. Bis er endlich, nach endlosen Gesprächen mit künstlichen Telefonstimmen, qualvollen Stunden der Telefonmusik, mit einem Menschen sprechen darf.

"Schönen guten Tag, kann ich Ihnen helfen?"
"Was? Wo? Mensch? JA! Hilfe! Ja! Bitte!! Ich will mein Iphone! Ich will es jetzt und ich gebe auch gerne meine Geschwister in Zahlung!"
"Ähm... Wo liegt denn das Problem?"
Am besten wäre sicher die Antwort gewesen: Das Problem ist, dass Apple mit der Telekom zusammenarbeitet, aber Johnny beantwortete die Frage.
Nun darf er sich tatsächlich bald auf sein neues Iphone freuen, denn die nette Telefontante hat ihm tatsächlich geholfen - auch wenn sie seine Geschwister nicht wollte. Jetzt muss er nur noch die Lieferfrist abwarten. Die beträgt zurzeit 4-8 Wochen und ich bin guter Dinge, dass er mich noch vor Ablauf dieser Zeit in meiner ausbruchsicheren Gummizelle besuchen wird. Und dann werden wir gemeinsam Pläne schmieden, wie wir uns an der "Hotline, die Verrückte macht" (Asterixfans sind angesprochen) rächen können.
Bis dahin, alles Gute. Und all jenen, die tatsächlich trotzdem noch bei der Telekom anrufen wollen: Möge Gott euren armen Seelen gnädig sein.